Unterschied zwischen § 34 und § 35 BauGB – einfach erklärt
Wer ein Grundstück bebauen möchte, stößt schnell auf zwei zentrale Vorschriften des deutschen Bauplanungsrechts: § 34 BauGB und § 35 BauGB. Beide regeln, ob und wie gebaut werden darf – aber in völlig unterschiedlichen Situationen.
Dieser Artikel erklärt verständlich und praxisnah, was die beiden Paragraphen bedeuten, worin die Unterschiede liegen und was Bauherren unbedingt beachten sollten. Ideal für Hausbauer, Grundstückseigentümer, Architekten und alle, die sich mit Baurecht auseinandersetzen.
Grundprinzip: Wo kein Bebauungsplan existiert, greifen § 34 oder § 35 BauGB
Wenn keine gültige Bebauungsplanfestsetzung besteht, entscheidet das Baugesetzbuch, ob ein Bauvorhaben zulässig ist. Dabei gilt:
§ 34 BauGB → regelt das Bauen innerhalb der bestehenden, zusammenhängenden Bebauung („Innenbereich“).
§ 35 BauGB → regelt das Bauen außerhalb der Bebauung – also im „Außenbereich“.
Damit gilt vereinfacht:
Grundstück mitten im Ort? → § 34.
Grundstück „auf der Wiese“? → § 35.
Doch dahinter steckt deutlich mehr.
§ 34 BauGB – Bauen im Innenbereich
Der Innenbereich umfasst Gebiete, die faktisch von einer zusammenhängenden Bebauung geprägt sind – egal ob mit oder ohne Bebauungsplan.
Der zentrale Grundsatz lautet:
Ein Bauvorhaben ist zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der Nutzung, Bauweise und Grundstücksfläche in die Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Was bedeutet „Einfügen“?
Ein Gebäude muss sich harmonisch in den baulichen Kontext einfügen. Das betrifft:
Gebäudegröße,
Höhe,
Dachform,
Nutzungsart (Wohnen, Gewerbe, Mischnutzung),
Bauweise (offen/geschlossen),
Stellung auf dem Grundstück.
Ziel ist ein Ortsbild, das gewahrt bleibt, ohne alles identisch bauen zu müssen.
Vorteile von § 34 BauGB
sehr gut geeignet für Baulücken,
ermöglicht kreative Lösungen,
bietet Flexibilität, wenn kein Bebauungsplan existiert,
Bestandsschutz für gemischte Strukturen.
Herausforderungen
Auslegungsspielraum bei Ämtern → oft Ermessenssache,
umfangreiche Nachbarschafts- und Ortsbildprüfung,
manchmal langsamere Genehmigung.
§ 35 BauGB – Bauen im Außenbereich
Der Außenbereich ist alles, was nicht Innenbereich (nach § 34) oder durch Bebauungsplan geregelt (nach § 30) ist. Typisch sind:
Freiflächen,
landwirtschaftlich genutzte Gebiete,
Wald- und Wiesenflächen,
Ortsrandlagen außerhalb des Siedlungszusammenhangs.
Der Grundgedanke ist klar:
Der Außenbereich soll grundsätzlich freigehalten werden.
Bauen ist daher nur eingeschränkt möglich.
Welche Bauvorhaben sind im Außenbereich zulässig?
§ 35 unterscheidet zwischen:
1. Privilegierten Vorhaben (Abs. 1) – haben gute Chancen auf Genehmigung
Dazu zählen u. a.:
landwirtschaftliche Betriebe,
Forstwirtschaft,
Wind- und Wasserkraftanlagen,
bestimmte Infrastruktur (z. B. Energieversorgung),
Anlagen, die nur im Außenbereich sinnvoll sind.
2. Sonstige Vorhaben (Abs. 2) – selten zulässig
Privates Wohnhaus? Wochenendhaus? Gewerbehalle?
meist nicht genehmigungsfähig, weil „unerwünschte Zersiedelung“ verhindert werden soll.
3. Unzulässige Vorhaben (Abs. 3)
Wenn schädliche Einwirkungen, Zersiedlung oder Beeinträchtigung öffentlicher Belange drohen → klare Ablehnung.
Öffentliche Belange – das größte Hindernis
Im Außenbereich haben viele Schutzgüter Vorrang:
Naturschutz,
Landwirtschaft,
Wasserhaushalt,
Landschaftsbild,
Erholung,
Immissionsschutz.
Schon die mögliche Beeinträchtigung kann ein Vorhaben scheitern lassen.
Der wichtigste Unterschied zwischen § 34 und § 35 BauGB
| Merkmal | § 34 BauGB | § 35 BauGB |
|---|---|---|
| Bereich | Innenbereich | Außenbereich |
| Bebauung | bereits vorhandene zusammenhängende Siedlung | Wiesen, Felder, Naturflächen |
| Grundsatz | Einfügen in Umgebungsbebauung | Schutz des Außenbereichs |
| Chancen für Wohnbau | sehr hoch | meist sehr gering |
| Genehmigung | Ermessen, aber gut begründbar | streng, enge Voraussetzungen |
| Typische Projekte | Baulücken, Nachverdichtung | Landwirtschaft, Erneuerbare Energien |
§ 34 ermöglicht Bauen – § 35 verhindert Bauen (meist).
Warum ist die Unterscheidung so wichtig?
Für Bauherren entscheidet diese Differenz über:
Genehmigungschancen,
Kosten,
Planungssicherheit,
Notwendigkeit zusätzlicher Gutachten,
Dauer des Verfahrens.
Ein Grundstück, das nach § 34 bebaubar ist, hat in der Regel deutlich höheren Wert als ein Außenbereichsgrundstück.
Beispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Baulücke im Ort
Grundstück zwischen zwei Häusern → § 34 → gute Chancen.
Beispiel 2: Grundstück am Feldrand
Kein Siedlungszusammenhang → § 35 → Wohnhaus meist nicht zulässig.
Beispiel 3: Alte Scheune
Nachweisliche landwirtschaftliche Prägung → Privilegierung nach § 35 möglich.
Beispiel 4: Aufstockungen und Anbauten
Im Innenbereich sehr gut möglich → § 34.
Rolle des Architekten: Warum fachliche Beratung entscheidend ist
Ein Architekt erkennt schnell:
ob Innen- oder Außenbereich vorliegt,
wie man ein Vorhaben genehmigungsfähig gestaltet,
wann alternative Konzepte möglich sind,
wie bestehende Bebauung zu interpretieren ist,
ob es Chancen für Ausnahmen gibt.
Gerade bei § 34 und § 35 ist das Ergebnis oft eine Auslegungssache – gute Argumentation ist Gold wert.